Was ich unter Integraler BDSM Praxis verstehe
Ich kann nur überzeugend und wirkungsvoll umsetzen, was ich selbst verstanden habe, weswegen ich nicht einmal das Wort Integral im Wikipedia oder anderswo nachschlage, um den Begriff nach Vorgabe anderer hier wiederzugeben. Das können Sie selbst tun, wenn Sie wollen. Ich schreibe hier meine Sicht und was ich begriffen habe und ergänze, wenn weitere Aspekte dazu kommen.
Ein wesentlicher Aspekt integralen Handelns und Erlebens ist für mich die Gleichzeitgigkeit von unterschiedlichen Ebenen oder Realitäten. Bezogen auf BDSM heißt das für mich, dass eine Handlung, die ich an dem Körper eines anderen Menschen ausübe, nie nur körperlich ist, sondern eben auch auf ganz unterschiedlichen Ebenen wirkt. Sie wirkt aufs Emotionale, auf den Geist und verschiedene andere Aspekte menschlichen Erlebens. Wenn ich mich also einem Thema integral nähere, versuche ich diese unterschiedlichen Ebenen mit im Blick zu haben.
Es ist also nicht nur, dass ich die Peitsche schwinge zum Beispiel und diese auf den Hintern des Subs niedersausen lasse, sondern viel mehr als das. Wahrscheinlich löst es Schmerz aus, was wiederum im Gehirn im Schmerzzentrum wirkt, das sich nahe am Lustzentrum befindet. So könnte dabei auch dieses aktiviert werden, wenn jemand diese Art von Schmerz stimulierend erlebt. Oder es könnte emotional als Strafe wirken, was wiederum Erinnerung wachrufen kann, die mit Bestrafung zu tun haben. Vielleicht bleiben Spuren auf der Haut zurück und er erinnert sich im Alltag an die Situation, was wiederum das Erlebnis in ein ganz anderes Licht tauchen könnte, weil es vielleicht aus einer alltäglichen Situation betrachtet absurd wirkt, von einer Frau bzw. Herrin gepeitscht zu werden. Vielleicht denkt sich jemand dann in dieser Situation: „Ach, was bin ich nur für ein seltsamer Vogel, dass ich mir das antue?“ Und am Vortag noch war es der größte Kick, sich in diese Situation zu begeben. Oder ganz anders: Es löst Stolz aus, von der Herrin gezeichnet zu sein.“
Und wie auch immer das auch ganz anders ablaufen und sein könnte. Dies sollte nur ein Beispiel sein von der Komplexität einer nach außen scheinbar einfachen Handlung. Dazu kommt noch die Tatsache wie Außenstehende, also nicht SM Kundige eine solche Handlung betrachten und beurteilen würden. Und irgendwo innen drinnen könnte ein Gedanke sein, der sich für einen ganz kurzen Moment fragt: Was würde meine Partnerin, mein Chef, meine Freunde, meine Kinder dazu sagen, wenn sie wüssten, dass …. Oder, was wahrscheinlich häufiger der Fall ist, sich bereits die Antworten zu geben, die diese hätten.
Mir geht es nicht darum, all diese Themen mit ihnen durchzukauen (außer das ist gewünscht), sondern vielmehr darum, einen Blick oder besser gesagt einen Sinn dafür zu haben, dass es ganz unterschiedliche Ebenen gibt, worauf und wie ein SM Erlebnis wirkt. Im besten Fall könnte es ein harmonisches Mieteinander aller beteiligten Aspekte geben. Das ist sicher sehr erfüllend. Und das finde ich auch tatsächlich erstrebenswert.
Was ein weiteres Thema der Gleichzeitigkeit von Unterschieden ist, sind Sie und ich, die Dom und der Sub oder Frau und Mann. Während ich z.B. meinen Zugang zu BDSM heutzutage bewusster über meine inneren Werte definiere und diese auch als Orientierung für meine Grenzen im optimalen Fall heranziehe (da bin ich definitiv noch im Prozess), erlebe ich den Zugang von Interessenten zu BDSM oft über eine bestimmte Praxis, einen bestimmten Fetisch oder ein bestimmtes Thema. Manchmal lese oder höre ich sogar: Ich bin tabulos und mache alles, was wiederum mir und meinem Zugang zu BDSM völlig widerspricht. Ich habe Werte und ich habe Tabus und ich stehe dazu. Doch im integralen BDSM Modell geht es darum, dass beide Zugänge gleich viel wert sind und gleichberechtigt. Ähnlich verhält es sich für mich auch zwischen Männern und Frauen. Bei Männern erlebe ich oft die Idee von „höher, schneller, weiter“ als Maß aller Dinge während wir Frauen mehr auf die Beziehung schauen und die Männer eher „heilen“ wollen. Das klingt ein wenig abstrus und das könnte man sicher vertiefen und hinterfragen. Doch die Idee einer möglichen gehirnphysiologischen Unterschiedlichkeit zwischen Männern und Frauen möchte ich hier so stehen lassen. Die integrale Frage ist auch hier einfach: Wie kann beides gleichberechtigt nebeneinander stehen und gemeinsam daraus etwas Gutes entstehen, das dem Wohle aller Beteiligten dient ?
Möglicherweise hat das jetzt den Anschein, als wäre ich zur „Gutmenschin“ mutiert und sei das mein spezielles Anliegen. Nein, das bin ich garantiert nicht. Ehrlich gesagt ist es vielmehr so, dass mein Altruismus nicht besonders ausgeprägt ist und ich bin durchaus jetzt und auch weiterhin interessiert und engagiert darin, auf meine Kosten zu kommen. Doch NICHT UM JEDEN PREIS! Und was ich nicht will, dass mir jemand tut, mute ich auch keinem anderen zu (abgesehen von SM Praktiken :-))
Mein Motiv ist einzig, dass es für mich mehr Sinn macht. Weil ich daran interessiert bin, mich weiterzuentwickeln, auf der Höhe der Zeit zu sein und weil ich daran beteiligt sein möchte, dass auch andere Menschen, die mit mir zu tun haben, sich weiterentwickeln können. Mehr darüber können Sie in meiner Ethik lesen.
Ich schließe hier dieses Thema vorläufig ab und werde in meinem Blog weiter dazu schreiben, wo vielleicht auch Sie Stellung dazu nehmen wollen. Gerne stehe ich auch für Fragen zur Verfügung.